"Wie schalte ich von Defensive auf Offensive?" - Eine hilfreiche Antwort

Marco Kühn
von Marco Kühn

Wenn früher in der Schule der Gong zur ersten Schulstunde ertönte, durfte ich jedes mal ein Phänomen erleben.

Obwohl niemand Lust auf Schule, geschweige denn die anstehende Mathestunde hatte, wollte trotzdem jeder als erstes im Klassenraum sein. Ein Gedrängel, Schubsen und Getöse sondergleichen entwickelte sich im Türrahmen zum Klassenzimmer, welches keinerlei Sinn ergab.

Die „offensiven“ Schüler drängten dabei immer weiter nach vorn – Schritt für Schritt. Die eher „defensiven“ Schüler wurden hingegen von der Klassenzimmertür weg gedrängt.

Was früher die Klassenzimmertür war, ist auf dem Tennisplatz die Grundlinie.

Gleiches mit gleichem zu bekämpfen, ist in beiden Fällen sinnlos. Spielt dein Gegner schnelle Bälle, treibt dich über den Platz und lässt dich nur reagieren, so wirst du aus diesem Kreislauf nicht mit schnellen Schlägen herauskommen.

Deine Lage wird höchstens hoffnungsloser.

Entdwickel einen Gegenpol

Befindest du dich in der Defensive, ist dein Winkel zum gesamten Spielfeld weiter, da du dich zwei bis drei Meter hinter der Grundlinie befindest. Setzt du „Harakiri“ ein und versuchst mit hohem Tempo in deinen Schlägen aus dieser Misere wieder nach vorn an die Grundlinie zu finden, wird dies verpuffen.

Es wäre nichts anderes, als wenn du damals als „defensiver“ Schüler blind auf den Pulk „offensiver“ Schüler gelaufen wärst, der in jenem Moment mit vier kleinen Körpern die Klassenzimmertür verstopft hatte.

Du musst also taktischer denken. Klüger. Du bist der Schüler mit Pfiff, der gedanklich schneller ist.

Um aus der Defensive zurück in die Offensive zu gelangen, musst du deine Position auf dem Platz wieder nach vorn verschieben. Entscheidend dafür ist die Zeit. Spielst du aus der Defensive ausschließlich schnelle Bälle, raubst du dir selbst Zeit.

Du hast gar keine Möglichkeit, zwei bis drei Meter nach vorn zu kommen und eine gute Position einzunehmen.

Slice, Mondball und andere Zeitschinder

Willst du zurück an die Grundlinie, musst du zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen:

  • Selbst einen langsamen Ball spielen
  • Deinen Gegner mit diesem Ball beschäftigen

Der langsame Ball spendiert dir Zeit. Ist dein Gegner gleichzeitig beschäftigt und hat mit deinem Ball eine Aufgabe zu lösen, verbessert sich deine Position im Ballwechsel automatisch.

Kann dein Gegner keinen schnellen Ball auf deinen langsamen spielen, bist du sofort wieder besser im Ballwechsel. Wie du auf tennis-insider.de vielleicht schon gelernt hast, ist es wesentlich schwieriger aus einem langsamen Ball einen schnellen zu machen, als aus einem schnellen einen noch schnelleren.

Bist du in der Defensive, solltest du sofort das Tempo deiner Schläge drosseln. Und das gedrosselte Tempo clever einsetzen.

Aber wie?

Du hast zwei essentielle Grundlagen zur Drosselung auf der Bespannung:

  • Slice
  • Topspin

Diese beiden Varianten beherbergen viele taktische Stilmittel. Lass uns direkt mit einer simplen Methode starten. Dem Ball, der früher in der Jugend jeden spielstarken Gegner zum heulen gebracht hat.

Dem Mondball.

Er bringt dir Zeit, deinen Gegner aus seinem Rhythmus und schneidet das Tempo des Ballwechsels wie ein Blatt Papier einfach in der Mitte durch.

Danach ist nichts wie vorher.

Zutaten für einen Mondball, der deinen Gegner zuverlässig auf den Nerv geht:

  • Viel Spin
  • Eine gute Länge
  • Mittig gespielt

Durch viel Spin wird dein Ball nach dem Absprung unangenehmer für deinen Gegner. Eine gute Länge drängt deinen Gegner im besten Falle von der Grundlinie weg. Spielst du den Mondball obendrein mittig, nimmst du deinem Gegner die Winkel für einen guten Schlag.

Während dein Mondball unterwegs ist, hast du die so wichtige Zeit, um zurück in deine Komfortzone an der Grundlinie zu gelangen.

Dreh die Welt auf den Kopf

Ein anderes taktisches Stilmittel, welches dich aus der Defensive zurück an die Grundlinie spült, ist der Slice. Ich möchte an dieser Stelle auf einen Schlag eingehen, der nicht einfach zu spielen ist, dafür aber umso mehr Effektivität mit auf den Platz bringt.

Es ist der kurzgespielte Slice auf das T-Feld deines Gegners.

Warum ist dieser Schlag so Effektiv? Er dreht die gesamte Spielsituation mit nur einem Schlag um.

Dein Gegner muss ins Feld hinein. Keine leichte Aufgabe. Du selbst hast die Zeit, dich näher an die Grundlinie zu bringen. Die Positionen beider Spieler verschieben sich somit komplett. Es entsteht eine völlig neue Grundlage im Ballwechsel.

Durch den kurzen Slice bringst du deinen Gegner in eine unbequeme Lage. Er befindet sich nicht nur im Niemandsland eines Tennisplatzes, sondern muss auch noch einen grandiosen Ball spielen. Schlecht für den Gegner, dass seine Ausgangslage dabei ein Tennisball ist, welcher sich unterhalb der Netzkante befindet.

Der Winkel, für eben diesen grandiosen Ball, ist denkbar schlecht.

Durch den kurzen Slice auf das T-Feld deines Gegners verschiebst du nicht nur die Positionen des Ballwechsels. Du drehst die Konstellation um. Dein Gegner muss nun reagieren. Er ist es nun, der sich in einer schlechten Position befindet.

Fazit

Du hast in diesem Artikel Mittel kennenglernt, mit welchen du aus der Defensive zurück an die Grundlinie kommst. Deine Position ist dabei ausschlaggebend, sowie das Tempo deiner Schläge. Einzig ein Konterball mit hohem Tempo, welcher gleichzeitig ein Winner sein muss, ist ein schneller Schlag der dich aus der Defensive holt.

Willst du taktisch clever spielen, musst du die Geschwindigkeit deiner Schläge reduzieren. Hierfür stehen dir die Variationen Slice und Topspin zur Verfügung. Dein Ziel sollte es sein, schnell wieder in deine persönliche Komfortzone an der Grundlinie zu kommen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese sehr nah an der Grundlinie ist – oder vielleicht ein Meter dahinter.

Lass die offensiven Schüler auf das Klassenzimmer zustürmen. Und behalte die Ruhe 😉

 

Marco Kühn
Marco Kühn
Marco ist an der Grundlinie groß geworden und ehemaliger Jugendranglistenspieler. Heute hilft er mit seinem Blog Clubspielern besser Tennis zu spielen. Er schrieb bereits für tennisnet.com, tennisMAGAZIN, Tennis-Point und den Focus.

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