Mentale Stärke im Tennis: Emotionale Intelligenz auf dem Tennisplatz

Marco Kühn
von Marco Kühn

Dein Puls steigt und du suchst deine mentale Stärke.

Schon wieder landet der Ball deines Gegners mit drei Ballhaaren an der Außenkante der Linie.

Schon wieder ist die Netzkante auf der Seite deines Gegners.

Du versuchst, deine Wut zu kontrollieren. Dein Gegner soll schließlich nicht erkennen, ob du wütend, entspannt oder fröhlich bist.

Du legst deine volle Konzentration auf deine Emotionen – und vergisst, wie es eigentlich im Aufschlagspiel steht. Deine Aufmerksamkeit richtet sich fast ausschließlich auf die Kontrolle deiner Emotionen.

  • Taktik?
  • Spielverständnis?
  • Stellung zum Ball?

Fehlanzeige!

Deine Emotionen können dein Spiel blockieren. Und die Blockaden löst du nicht, indem du vor deinen Emotionen davonläufst. Sie werden dich einholen. Und auf dem Weg dorthin lenken sie dich von deinen Fähigkeiten ab. Du musst also intelligent mit deinen Emotionen auf dem Tennisplatz umgehen. Du wirst während einem Match von so vielen Emotionen geradezu durchgerüttelt, dass es allerhöchste Zeit wird, richtig mit diesen Emotionen umzugehen.

Dein Tennis wird es dir danken.

Leicht verständlich & anwendbar:

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Ist Tennis ein mentaler Sport?

Die Basis für ein starkes Tennis sitzt im Kopf. Konzentration, emotionale Ruhe und eine hohe Stressresilienz sind die entscheidenden Faktoren für eine großartige Performance beim Tennis.

All diese Faktoren finden wir in einer starken Mentalität.

Es gibt aber noch mehr.

Beim Tennis nutzt du deine Konzentrationsfähigkeit. Du musst dich bei jedem einzelnen Schlag auf unterschiedliche körperliche, aber auch geistige Dinge fokussieren. Du willst gut zum Ball stehen, den Ball früh treffen und die Kugel sauber mittig auf deiner Bespannung treffen. All das setzt voraus, dass du ein hohes Maß an Konzentration besitzt.

In meinem Blogartikel mit Wolfgang Thiem sprach dieser über die Frustrationstoleranz. Du musst als Tennisspieler mit Ups und Downs umgehen können. Nach einer schnellen 3:0-Führung kannst du innerhalb von 30 Minuten plötzlich 3:6 und 0:2 hinten liegen.

Wie reagierst du dann?

Du merkst es schon. Tennis ist ein mentaler Sport, der dir geistig alles abverlangt.

Was ist mentale Stärke im Tennis?

Mentale Stärke im Tennis ist der kontrollierte Umgang mit den eigenen Emotionen. Wie in dieser Studie nachzulesen ist, stehen Resilienz und Stress beim Tennis auf einer Stufe. 

Ein Tennismatch ist wie ein ständiger innerer Kampf. Wer bereits bei leichten Stresssymptomen seine innere Balance verliert, der wird es im Wahnsinn eines Tennismatches schwer haben.

Warum?

Eine fehlende Resilienz Stress gegenüber hat einen negativen Einfluss auf deine Konzentrationsfähigkeit. Stehst du unter Stress, stehst du schlechter zum Ball. Du triffst die Murmel nicht mehr sauber vor deinem Körper. Dein Timing beim Schlag wird schwächer.

All das hat nur eine Konsequenz:

Du spielst schlechter Tennis.

Das ist einer der vielen Gründe, warum Tennisspieler im Training viel besser als im Wettkampf performen. In dieser Studie wird gezeigt, wie die Angst im Wettkampf Einfluss auf die Leistung des Spielers nehmen kann. Fehlt die Resilienz Stress und Angst gegenüber, performt der Spieler im Wettkampf fast schon automatisch schwächer als im Training.

In meiner Philosophie des mentalen starken Tennis sind Training und Match zwei verschiedene Sportarten. Du kannst deine Leistungen aus dem Training nicht mit deinen Leistungen im Match vergleichen.

Das ist schlicht nicht fair, dir gegenüber.

Wie bereite ich mich mental auf ein Tennismatch vor?

Die mentale Vorbereitung auf ein Tennismatch ist die Akzeptanz, dass man nicht alles kontrollieren kann.

Seien wir mal ehrlich:

Du weißt weder, ob du gewinnen oder verlieren wirst, noch weißt du, wie das Match verlaufen wird.

Du hast beim Tennis nur ganz wenige Dinge, über die du zu 100 % die Kontrolle hast. Wenn wir es komplett herunterbrechen, dann hast du nur über eine einzige Sache die volle Kontrolle.

Das ist deine emotionale Reaktion auf all die Ups und Downs, die dich in einem Tennismatch von Natur aus erwarten. Du findest in meinem Blogartikel über die mentale Matchvorbereitung weitere Informationen.

Mentale Stärke: Lass alles zu

Emotionen sind Energie. So ein Schlägerrahmen bricht nicht einfach so. Du musst schon eine Menge an Energie aufbringen, um den Schläger so hart auf den Boden oder gegen den Netzpfosten zu knallen, damit der Rahmen auch zuverlässig bricht.

Was zerstört den Rahmen? Richtig, deine Emotionen. Die aufgestaute Wut, respektive Energie, entlädt sich in einem fachmännischen Rahmenbruch. Fernab mentaler Stärke.

Du wirst dabei zum Sklaven deiner Emotionen. Deine Emotionen kontrollieren dich.

Deine Emotionen sind also Energie. Was solltest du mit Energie niemals tun? Versuche nicht diese aufzuhalten. So entstehen Blockaden. Lass die Emotionen stattdessen einfach laufen, ohne dich zu sehr von diesen beeinflussen zu lassen.

Um dies zu tun, stehen dir auf dem Tennisplatz mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Schreie alles raus
  • Fluche
  • Schmeiß ruhig mal den Schläger
  • Führe Selbstgespräche

Ein gutes Beispiel für einen mental starken Spieler ist der junge Amerikaner Brandon Nakashima.

Alchemie

Wenn du vernünftig mit deinen Emotionen umgehst, kannst du lernen, wie du negative Emotionen umwandelst. Aus Wut wird beispielsweise Mut. Aus Verzweiflung wird eine „Jetzt-erst-recht“ Einstellung. Manchmal musst du bei dieser Umwandlung Umwege gehen.

Beispielsweise wenn du frustriert bist. Dann kommt zunächst der Frust. Diesen lässt du einfach zu. Daraus entsteht Wut. Und aus der Wut heraus entsteht Mut. Mut kann dich durch einige gelungene Schläge und Winner dann hin zum Selbstvertrauen führen. Diesen Prozess durchläuft Juan Martin del Potro des Öfteren, wenn er bei den US Open 0:2 Sätze zurückliegt, eine Vorhand aus dem Nichts über den Platz hämmert und dann das Match dreht.

Auch in diesem Beispiel greift die „alchemistische“ Formel:

  • Frust
  • Wut
  • Mut
  • Selbstvertrauen

Das widersprüchliche Beispiel hierzu ist das anhaltende Ärgern über den eigenen Frust oder die eigene Verzweiflung. Dann blockierst du deine Emotionen, lässt ihnen nicht den freien Lauf und nimmst dir selbst jegliche Möglichkeit aus diesem „Loch“ wieder herauszukommen. Meist werden diese negativen Emotionen durch eine Blockade noch intensiver. Dann geht nicht nur dein Puls vor lauter Wut in die Höhe; du bekommst noch Schweißausbrüche dazu. Du steigerst dich vollkommen in diese negative Emotion hinein und weißt dann teilweise wirklich nicht mehr wie es im Aufschlagspiel oder im Satz steht.

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Sei der Beobachter

Es gibt noch eine andere Möglichkeit, um mit deinen Emotionen umzugehen. Versuche die Situation mit dem dritten Auge zu sehen. Werde zum Beobachter deiner Emotionen. Dies ist nicht ganz leicht, vor allem wenn du mitten im Matchplan bist und alles sehr schnell geht. Vielleicht fällt dir aber, je nach deinem Charakter, diese Möglichkeit leichter.

Stelle dir einen alten, weisen Mann vor, der dich auf dem Platz sieht. Wie würde dieser an deiner Stelle reagieren? Was würde er dir sagen? Wie würde er konkret in deiner Situation handeln?

Würde er beleidigt und voller Selbstmitleid über den Platz watscheln und sämtliche Punkte einfach abschenken, weil es gerade nicht läuft? Nein, dies würde ein weiser Mann wahrscheinlich nicht tun. Indem du dich in eine andere Person hineinversetzt, nimmst du automatisch Abstand zu deinen Emotionen. Du löst auf diese Weise erneut die Blockade, die dich durch deine Emotionen hemmt.

In den Phasen, in denen du auf dem Platz überhaupt nicht mehr weißt was du tun sollst, hilft es fast immer sich vorzustellen, was jemand anderes an deiner Stelle tun würde.

Dies ist ein kleiner aber simpler Trick, um dich psychologisch wieder in die Bahn zu bringen.

Fazit

Es ist verdammt nicht leicht die eigenen Emotionen zu kontrollieren und diesen gegenüber intelligent aufzutreten. Es ist aber möglich. Das Gute ist, dass du schon kleine Verbesserungen sofort bemerken wirst. Lass dich nicht entmutigen, wenn du mal wieder die Fassung verlierst und einige Punkte und Spiele einfach so vor dir weglaufen.

Das ist normal und passiert jedem.

Setze die in diesem Artikel besprochenen Methoden regelmäßig auf dem Platz um. Nicht nur in wichtigen Matches, sondern auch in deinen Trainingsmatches. Du wirst Stück für Stück merken, wie dich Kleinigkeiten nicht mehr so sehr von deinem eigentlichen Matchplan abhalten.

Mentale Stärke im Tennis: Der Marathon

Mentale Stärke zu trainieren und zu entwickeln ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wenn du schnelle Erfolge erwartest, dann muss ich dich bereits jetzt enttäuschen.

Wenn du ein Bild malen willst, dann bist du nach ein paar Pinselstrichen auch noch kein Picasso. Ähnlich verhält es sich, wenn du mentale Stärke in dein Tennis integrieren willst. Leichte Fehler, vor allem mit der Vorhand aus dem Halbfeld, werden dich auch nach dem lesen dieses Artikels noch aufregen.

Aber du weißt jetzt, wie du mit diesen Emotionen umgehen kannst. Die Kunst ist es das erworbene Wissen um mentale Stärke jetzt auf dem Platz, in den hektischen Situationen, umzusetzen. Ich bin mir sehr sicher, dass du diese Umsetzung schaffen wirst, wenn du einen langen Atem hast und von dir selbst keinerlei Wunder erwartest.

Marco Kühn
Marco Kühn
Marco ist an der Grundlinie groß geworden und ehemaliger Jugendranglistenspieler. Heute hilft er mit seinem Blog Clubspielern besser Tennis zu spielen. Er schrieb bereits für tennisnet.com, tennisMAGAZIN, Tennis-Point und den Focus.

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3 Kommentare

Was du auf dem Platz über dich erzählst - ohne ein Wort zu verlieren
[…] drei Aufschlagspiele gab Fabians Gegner zwei knappe Bälle Aus. Fabian schluckte seine mittlerweile brodelnde Wut so gut es geht hinunter. Er ließ sich kaum Zeit zwischen seinem ersten und zweiten Aufschlag. Die […]
Michael Bernhard
Michael Bernhard
Von Prinzip ist der Abbau von Aggression ,in dem man die Wut rausläßt, richtig.Viele Kinder machen dieses Theater aber auch um von ihren Fehlern abzulenken,weil es andere auch machen ,weil es irgendwie cool und verrückt ist oder als Übersprungshandlung ,weil sie nicht wissen wie sie sich sonst verhalten sollen.Daraus werden dann schnell automatisierte Habits ,die dann zum Teil gar kein Grund brauchen.Sie steigern sich dann in die Situation herein,fangen an hyper zu ventilieren und wissen am Ende nicht was mit Ihnen passiert ist.
Hierfür braucht es einen erfahrenen Trainer,der das unterscheiden kann.Ist das ein Kind ,was einen ungeheuren Druck aufbaut,dem man hilft ,indem es mal richtig Dampf ablassen darf,oder ist das ein Kind ,das jeden Anlass nutzt um sich darzustellen bzw.eine Hilfe braucht sich zu verhalten,wenn es einen Fehler macht oder gar verliert.
Marco
Marco
Hallo Michael,

sehr gute Ergänzung zum Artikel. Danke dir!

Marco

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