Was du für dein Tennis über das Momentum wissen solltest

Marco Kühn
von Marco Kühn

Natürlich möchte ich in diesem Artikel nicht auf den Tod von Nicks Großvater eingehen. Darüber hinaus bin ich mir sicher, dass Nick aus seinen Fehlern lernt und sehr bald ein Top-10-Spieler sein wird.

Da gehört er nämlich hin.

In diesem Artikel soll es um negatives Momentum, welches nicht mehr zu stoppen ist, gehen. Und hierfür dient das Zweitrundenmatch von Nick Kyrgios gegen Kevin Anderson als Lehrbeispiel. Was dort mit Nick passiert ist, ist vollkommen menschlich und normal.

Und kann dir ebenso passieren.

Was war passiert?

Kyrgios gewann den ersten Satz knapp mit 7:5. Anschließend fiel er in ein Loch. Ich nenne es negatives Momentum. In diesem Momentum beschäftigte er sich damit, dass er eigentlich kaum trainiert hatte vor den French Open. Dazu kamen in ihm Gedanken und Erinnerungen an seinen erst kürzlich verstorbenen Großvater hoch. Das negative Momentum hielt an – bis zum Ende des Matches.

Nick Kyrgios verlor die Sätze zwei, drei und vier glatt und ohne große Gegenwehr.

Wie bekommt das Momentum Zugriff?

Ein Momentum erhält durch Emotionen Zugriff. Bestimmte Auslöser, nennen wir sie Trigger, holen dich in eine Welle voller Emotionen. Die Bilder und Gedanken, welche dann in deinem Kopf und vor deinen Augen präsent sind, sind negativ.

In der ersten Runde gegen Kohlschreiber gab es für Nick kein negatives Momentum. Dementsprechend beschäftige ihn auch nicht sein Großvater oder seine schlechte Vorbereitung auf Roland Garros. Er spielte einfach. Mit neutralen bis positiven Emotionen.

So ähnlich wie wahrscheinlich du, wenn du ein kleines Trainingsmatch mit deinem Teamkameraden spielst.

Das Vertiefen in das Momentum

Wird aber der Trigger ausgelöst, fühlst du dich wie in einem dunklen Raum, aus dem du nicht den Ausweg findest, da das Licht des Notausgang-Schildes defekt ist.

Du wirst panisch, vertiefst dich in deinem Momentum und verlierst vollkommen den Kontakt zur Realität. Wild gestikulierend irrst du durch diesen dunklen Raum, ohne einen vernünftigen Gedanken fassen zu können.

Das Ergebnis auf der Anzeigetafel wird dann zur Nebensache, obwohl genau dort die Lösung, das beleuchtete Notausgang-Schild, aber eigentlich steht.

Die Realität ist, dass das Match noch nicht verloren ist. Und im Grunde nichts passiert ist. Es sind nur die Emotionen, die einem verklickern wollen, dass es keine Aussicht mehr auf Erfolg gibt.

Nicht selten erlebt man als Zuschauer, dass ein Match eigentlich schon entschieden ist, obwohl vielleicht erst die Mitte des ersten Satzes angebrochen ist. Auch hier befindet sich der Spieler in einem negativen Momentum, welches anhält. Auch hier ist es schlicht nur eine Emotion, die die falsche Richtung vorgibt.

Der Unterschied zwischen Emotion und Realität

Ist man in solch einer Emotion gefangen, bringt Denken nichts. Der Verstand wird ausschließlich Gründe finden, warum es nicht läuft und warum man das eigentlich noch laufende Match nicht gewinnen wird.

So war es bei Nick Kyrgios gegen Kevin Anderson.

Um sich aus diesem dunklen Raum wieder zu befreien hilft kein wildes umherirren, respektive Denken mit dem Verstand.

Stattdessen musst du dich ein wenig von deinem übergroßen Ego lösen. Und die Matchsituation als das sehen, was sie ist. Die Situation im Match, rational heruntergebrochen, wird ausgeglichen und keineswegs aussichtslos sein.

 

Was kann dir also helfen, um aus einem solchen negativen Momentum auszubrechen?

Der bereits erwähnte Blick auf die Anzeigetafel. Dort steht das absolute Jetzt geschrieben. Und nicht das, was man eigentlich über das Match fühlt.

Die volle Konzentration auf die nächste Aktion ist ein Schritt raus aus dem dunklen Raum. Wenn du tatsächlich in solch einem Raum eingesperrt wärst, würdest du umher zappeln und jammern? Vielleicht im ersten Moment. Doch dann würdest du kurz inne halten, einen Fuß vor den anderen setzen und überlegt einen Weg raus aus diesem Raum suchen.

Wildes Denken würde dir nichts bringen. In dieser Situation müsstest du sofort handeln ohne groß nachzudenken. Dabei musst du Schritt für Schritt den Weg raus aus dem Raum suchen.

So sieht dein Ausweg, raus aus einem negativen Momentum, auf dem Tennisplatz aus.

Wenn du feststellst, dass du in einem negativen Momentum gefangen bist, mache dir sofort den aktuellen Spielstand bewusst. Wir haben gelernt, dass ein negatives Momentum meist in ausgeglichenen Matchphasen eintritt. Stoppen dein kontraproduktives Nachdenken, welches dir nur negative Lösungsvorschläge unterbreiten wird.

Nimm dann die absolut gegenwärtige Situation an. Sieh dir den Ball genau an. Leg deine Aufmerksamkeit weg von dir und deinen Gedanken und studiere stattdessen deinen Gegner. Wie bewegt er sich gerade? Was verrät seine Körpersprache? Wirkt er selbstbewusst oder zweifelt er gar mehr als du selbst?

Wenn du auf Sand spielst, verwische alte Ballabdrücke. Schau wie die Sonne steht und wie der Wind sich verhält.

All dies holt dich in die gegenwärtige Realität zurück und raus aus deinen negativen Emotionen.

Auf diese Weise findest du den Lichtschalter für das Notausgang-Schild.

Marco Kühn
Marco Kühn
Marco ist an der Grundlinie groß geworden und ehemaliger Jugendranglistenspieler. Heute hilft er mit seinem Blog Clubspielern besser Tennis zu spielen. Er schrieb bereits für tennisnet.com, tennisMAGAZIN, Tennis-Point und den Focus.

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